Weltpolitik vs. nationale Egoismen oder die Selbstlähmung der UN

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Es ist unfassbar! Russland und China tanzen Pogo auf dem Parkett der internationalen Politik und lassen die Demokratiebewegung in Syrien schmählich im Stich. Das Assad-Regime darf in Syrien munter weiter morden, und die Welt muss tatenlos zuschauen. Zwei Veto-Mächte im Sicherheitsrat blockieren eine Resolution, deren Wortlaut von der Arabischen Liga und der Mehrheit der Mitgliedsstaaten im Sicherheitsrat befürwortet wird. Da zeigt sich, dass es ein grundsätzlicher Fehler war, Staaten, deren Machthaber weit entfernt von demokratischem Selbstverständnis sind, in ein Gremium zu holen, das auf demokratischen Mitwirkungs- und Entscheidungsprozessen basiert. Das Einstimmigkeitsprinzip funktioniert nunmal nicht, wenn nationale Egoismen ins Spiel kommen, da sind Russland und China ja gar nicht die Ausnahme. Ihr Verhalten angesichts der Situation in Syrien ist aber besonders perfide, weil gerade Russland weiterhin ungestört mit dem Assad-Regime Waffengeschäfte betreiben möchte, während es gleichzeitig einen Stopp von Waffenlieferungen an die Opposition fordert. Einmal mehr zeigt Putins Russland der Welt sein hässliches Gesicht, und man kann sich nur wünschen, dass die russische Opposition sich gegen alle Widerstände durchsetzt. Die Demonstrationen wegen möglicher Unregelmäßigkeiten bei den Parlamentswahlen im Dezember stimmen zuversichtlich, dass das russische Volk Putin in Zukunft nicht mehr einfach schalten und walten lässt, wie es ihm gefällt. Doch wie sich die Lage in Russland auch verändert – das löst nicht das Dilemma im UN-Sicherheitsrat, der vor aller Welt als zahnloser Papiertiger dasteht, sobald eine Veto-Macht die eigenen Interessen vor die der internationalen Gemeinschaft stellt. Um diese Gefahr der permamenten Selbstblockade bei wichtigen internationalen Entscheidungen (z.B. im Falle von eklatanten Menschenrechtsverletzungen)  zu bannen, müsste das Einstimmigkeitsprinzip zugunsten von Mehrheitsentscheidungen aufgegeben werden, d.h. die Macht des Vetos entfällt und damit auch die Erpressbarkeit der internationalen Gemeinschaft durch einzelne Mitgliedsstaaten. Doch schon tut sich das nächste Dilemma auf. Wer will einen Beschluss in Richtung Mehrheitsentscheidungen ändern, wenn nicht die Staaten, die einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat haben, selbst? Nach geltenden Regeln müsste es ja auch wieder ein einstimmiger Entscheid sein, und die Veto-Mächte werden einen Teufel tun, auf ihre Machtposition zu verzichten. Eine abgeschwächte Variante wäre, einen Mehrheitsbeschluss zuzulassen, wenn besonders schwere Verletzungen der UN-Charta gegeben sind. Oder man knüpft das Veto an bestimmte Einschränkungen, indem man nämlich von vornherein ausschließt, dass sich eine Veto-Macht auf wirtschaftliche Interessen berufen kann, wenn diese nachweislich mit Waffenhandel zu tun haben. Ein weiterführender Beschluss wäre, internationalen Waffenhandel an Terror- und Militärregimes grundsätzlich zu verbieten, wobei sich die Frage stellt, wer die Zuwiderhandlung überwachen bzw. sanktionieren würde. Alles sinnvolle Maßnahmen, die dazu beitragen könnten, dass die Welt ein wenig sicherer wird. Aber leider ist davon auszugehen, dass keine dieser Beschlüsse jemals gefasst wird, solange bestimmte Länder im UN-Sicherheitsrat nicht ihre außenpolitischen Vektoren entscheidend geändert haben. So lange kochen die großen Mächte im Sicherheitsrat weiter ihr eigenes Süppchen und werden sich von niemandem reinspucken lassen. So lange kann die internationale Politik aber auch nicht auf Gefahrenpotenziale reagieren, die sich im Nahen Osten gleich an mehreren Stellen auftun. Um schnell und effektiv handeln zu können, müsste im UN-Sicherheitsrat längst Einigkeit darüber erzielt worden sein, wie man mit dem Iran umgeht, der weiter an seiner Atombombe bastelt. Stattdessen überlässt man das weitere Vorgehen lieber den USA und Israel. Ein Wirtschaftsembargo und das Einfrieren von Bankkonten ist ja schön und gut, aber man hört Benjamin Netanjahu bereits mit den Sebeln rasseln, ein Militärschlag gegen den Iran ist nicht auszuschließen – mit unabsehbaren Folgen für die Stabilität in Nahost. Die Lage in Ägypten und Libyen bleibt weiterhin angespannt, ganz zu schweigen von Afghanistan oder dem Irak. All diese Länder sind näher an bürgerkriegsähnlichen Zuständen oder einem Rückfall in totalitäre Strukturen als an einer Verstetigung der zaghaft begonnenen demokratischen Prozesse. Kaum vorstellbar, dass die vielfältigen Problemlagen von einem internationalen Gremium gelöst werden können, dessen Schlagkraft nicht weiter reicht als der kleinste gemeinsame Nenner, den eine der Veto-Mächte der Welt diktiert. Die Vorstellung, dass wir angesichts der internationalen Problemlagen und Bedrohungsszenarien einer möglichen Eskalation nur dieses zur Selbstblockade neigende Instrument entgegenzusetzen haben, ist äußerst beängstigend. Das schreit nach akutem Handlungsbedarf. Leider gibt es niemanden, der den im Sicherheitsrat vertretenen Mächten irgendetwas vorschreiben kann – außer sie selber, wo wir wieder bei der Frage der Einstimmigkeit wären. Ein hoffnungsloser Fall.